Liebe Kund:innen,
und plötzlich ist der Herbst da! Die Lagergemüseernte ist in vollem Gange, die Winterzwischenfrüchte werden eingesät, im Stall werden schon Vorbereitungen für das Ende der Weidesaison getroffen. Im Gewächshaus werden mit Mangold und Petersilie zur Überwinterung sowie Postelein, Rucola und Feldsalat schon die ersten Winterkulturen gepflanzt. Letzte Woche haben wir den ersten Apfelsaft für dieses Jahr gepresst. Ab sofort gibt es wieder Apfel-Rote Bete Saft vom Hof aus neuer Ernte. Frisch gepresst finde ich persönlich ihn ganz besonders köstlich!
Sie finden zurzeit auch immer wieder Tafeläpfel in Ihren Kisten. Auf dem Gut Rothenhausemn haben wir viele alte, regionale Apfel- und Birnensorten, darunter bekanntere wie der „Holsteiner Cox“ und weniger bekannte wie „Klausdorfer Häger“, „Fürst Blücher“, oder die Birne „Prinzessin von Lübeck“.
Die meisten unserer Obstbäume sind Hochstämme. Als Hochstamm bezeichnet man Obstbäume, deren Kronenansatz in mindestens 160-180 cm Höhe liegt. In großen Obstplantagen werden üblicherweise „Halbstämme“ mit ca. 120cm Stammhöhe oder „Niederstämme“ mit 80-100cm Stammhöhe genutzt. Diese lassen sich wesentlich leichter beernten, sind aber ökologisch weniger wertvoll. Die Stammhöhe macht aus naturschutzfachlicher Sicht einen erheblichen Unterschied. So siedeln sich z.B. Spechte gern in Hochstämmen an und in der Folge andere Vögel, Fledermäuse und Insekten, die die Spechthöhlen weiter nutzen. Da Hochstämme nur extensiv genutzt werden verbleibt mehr Totholz am Baum als in intensiv genutzten Plantagen, wodurch ebenfalls Höhlen und andere Nischen entstehen, die Lebensraum für Tiere bieten.
Unsere Hochstämme stehen „verstreut“ in der Landschaft, es handelt sich um sogenannte Streuobstbestände. Durch die Kombination von locker stehenden Hochstammbäumen und artenreichem Grünland bieten Streuobstwiesen ihren Bewohnern eine Vielzahl von Lebensraumelementen, die man in Niederstammplantagen vergeblich sucht: Besonders wichtig sind die oben erwähnten Baumhöhlen und Totholz im Hochstamm, u.a. als Brutplatz für Vögel. Die extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden unter den Bäumen sind mit einer großen Insektenfauna ein beliebter Nahrungsplatz für viele Vogelarten. Der aufgelockerte Baumbestand bildet ebenfalls einen Nahrungsraum für Vögel und Fledermäuse, die Insekten im Flug jagen. Bei uns weiden auf einigen Flächen die Schafe unter den Obstbäumen, was den Artenreichtum der Wiesen fördert. Beim Fressen haften den Schafen zahlreiche Samen, Pflanzenteile und kleine Tiere in ihrem Fell und Klauen an. So sorgen sie für den Transport dieser Tiere und Pflanzenteile und schaffen somit eine Vernetzung von Flächen innerhalb der Landschaft.
Streuobstwiesen sind ein altes Kulturgut mit kultureller, sozialer, landschaftsprägender und ökologischer Bedeutung. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Streuobstwiesen an fast allen Dorfrändern zu finden, wo die Dorfbewohner sich mit Obst versorgten und zugleich die Wiesen nutzten. Mit dem Aufschwung der industriellen Obsterzeugung haben Streuobstwiesen jedoch an Bedeutung verloren. Dabei zählen sie zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas, die viele seltene und gefährdete Tier- und Pflanzenarten beherbergen. Streuobstwiesen gehören heute zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas.
Indem wir Obst von Streuobstwiesen konsumieren, können wir etwas für den Erhalt dieser Lebensräume tun. Die Pflege und Ernte sind zwar wesentlich aufwendiger als in Plantagen, weshalb Äpfel und Saft aus Streuobstbeständen mitunter teurer sind. Trotzdem möchte ich Sie ermutigen, auf die Herkunft der Äpfel zu achten und auch mal andere Sorten auszuprobieren als die gängigsten. Mengenmäßig bedeutsam sind in Deutschland nur 20 Apfelsorten; die vier gängigsten Sorten machen 50% der konsumierten Äpfel aus. Dabei gibt es in Deutschland fast 2000 Apfelsorten, weltweit schätzungsweise 30.000. Hier auf dem Hof haben wir schon etwa 30 verschiedene Sorten. Probieren Sie sich durch!
In diesem Sinne, fröhliches Apfelessen und herzliche Grüße!
jenni ponsens